GERALD BAUER

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Angströhre?
Der Fußgängertunnel am Hauptbahnhof Augsburg

- ongoing project -

Im Zuge des aufwendigen Umbaus am Augsburger Hauptbahnhof entstand als Nebenschauplatz auch ein Fußgängertunnel, dessen geplante Dimensionen und Ausgestaltung schon lange vor der Fertigstellung Fragen aufwarfen. Als Diskussionsgrundlage habe ich Ende 2022 eine ungeschönte Visualisierung dieses damals noch im Rohbau befindlichen öffentlichen Raums angelegt, siehe Bild. Die Augsburger Allgemeine Zeitung veröffentlichte dazu im März 2023 einen Artikel.


 

Gerald Bauer Kunst   ← click image to enlarge




Das ausführliche Statement von 2022 ist hier zu lesen.

Die Stadt Augsburg hat in neuerer Zeit immer wieder ihre Bereitschaft demonstriert, dem Verkehr breite Schneisen ins urbane Gesicht zu graben. In den Neunzigern wurde dem Stadtbild mit der so genannten Schleifenstraße ein Stück autogerechter Philosophie dauerhaft einbeschrieben. Im Jahr 2010 konnte die Untertunnelung des Königsplatzes per Bürgerentscheid glücklich verhindert werden. Das aktuelle Großprojekt ist nun die bereits weit fortgeschrittene Untertunnelung des Hauptbahnhofs für die Straßenbahn.

Als Nebenprodukt dieser künftigen unterirdischen Trasse entsteht beiläufig etwas, was in Augsburg bislang ohne Beispiel ist: ein etwa hundert Meter langer unterirdischer Fußgängertunnel. Nun ist es keine neue Erkenntnis, dass derartige Unterführungen oft zu Angstzonen im fußläufigen Verkehr werden – verwahrlost, schwer einsehbar, bedrohlich. Schon die sehr kurzen Unterführungen in der Innenstadt, etwa an der Kongresshalle oder am Roten Tor, sind sprechende Beispiele.

Die Bahnhofsunterführung jedoch hebt das Problem in mehrfacher Hinsicht in neue Dimensionen. Nicht nur ist sie außergewöhnlich lang, sie weist auch – anders als die vorgenannten Beispiele – keinerlei Seitenwege auf, die wenigstens in Bedrohungsfällen als Fluchtweg an die Oberfläche dienen könnten. Es bleibt nur der lange Weg geradeaus.

Auf den ersten Blick erscheint es unbestritten logisch, die aufwendige Tunnelführung der Straßenbahn zu nutzen, um auch Fußgängern den kurzen Weg anzubieten. Es stellt sich aber die Frage nach der Akzeptanz einer solchen potenziellen Angstzone. Nicht unwahrscheinlich ist, dass gerade Frauen abends bei nachlassender Passantenfrequenz diese einsame Durchwegung nicht mehr nutzen möchten und lieber einen langen Umweg in Kauf nehmen. Je mehr Menschen den Tunnel meiden, umso unbelebter wird der Weg und umso eher wird er wiederum gemieden. Ein sich selbst verstärkender Effekt.

Die am Westausgang vorgesehene neu entstehende Platzsituation könnte das Problem sogar zusätzlich verschärfen, falls der Ort von Gruppen angeeignet wird, von denen subjektives Unsicherheitsgefühl ausgeht. Dass dies kein abwegiger Gedanke ist, zeigt nicht nur die frühere Situation am alten Bahnhofsplatz, sondern z.B. auch der Helmut-Haller-Platz am Oberhauser Bahnhof und nicht zuletzt der Königsplatz, auf dem sich zwar tagsüber der gesamte Querschnitt der Stadtgesellschaft findet, an dem aber in den späteren Abendstunden die Gewaltdelikte stetig zugenommen haben.

Vor diesem Hintergrund muss die Frage gestellt werden, was die Planung den oben genannten Szenarien entgegenzusetzen hat. In den von Stadt und Stadtwerken kommunizierten, eher marketingorientierten Bürgerinformationen zum Bahnhofsumbau bleibt dieses Thema ausgespart. Abzuwarten und das Beste zu hoffen erscheint jedoch nicht als brauchbare Strategie. Beschallung mit klassischer Musik und bunte Wandmalerei, wie in der Pferseer Unterführung versucht, werden als Konzept auch nicht ausreichen. Gibt es keine bauliche Antwort auf das Problemfeld, erscheinen längerfristig nur folgende Entwicklungen plausibel: erstens, nach einer längeren Leidensphase stellt die Stadt einen kostenintensiven Sicherheitsdienst ab, der zur Beruhigung der Bürger die Unterführung engmaschig patrouilliert. Oder zweitens, die Durchwegung wird irgendwann für die Öffentlichkeit geschlossen und dient dann nur noch als bahninterner Service- und Wartungsweg. Beides wäre das Eingeständnis einer planerischen Niederlage mit Ansage.